Kultur erhalten

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08.06.2013

Lechia Gdansk - Gornik Zabrze

Anfang Juni ging es für mich für einige Tage in meine zweite Heimat nach Polen, besser gesagt in die freie Stadt nach Danzig an der Ostsee. Da die Saison dort noch nicht beendet war bot sich ein Trip gut an zum "Ekstraklasa" Spiel, der höchsten polnischen Liga. Letztes Saisonspiel Lechia Gdansk gg. Gornik Zabrze im Bernstein-Stadion zu Danzig. Den Namen hat das Stadion wie man es schon herauslesen kann vom Bernstein bekommen, dessen Hauptfundregion das Ostseegebiet ist. Durch seine äußere gelb/goldene Hülle mit rundlichen Formen kann man die Spielstätte leicht mit Bernstein assoziieren. Gegner waren die Bergarbeiter aus Zabrze, Oberschlesien. Zu vergleichen ist der Verein ein wenig mit Wismut Aue oder dem einen oder anderen Verein aus dem Ruhrgebiet was den Bergbau angeht. Zwei Traditionsvereine für die es in der Saison um nichts mehr ging legten im 44.000 Zuschauer fassenden Stadion vor knapp 14.000 Zuschauern los. Etwas verloren im riesigen Rund mag man meinen, das hält sich aber in Grenzen denn die Heimfans stehen & sitzen zum größten Teil geschlossen hinter dem Tor & auf der Gegengeraden, ein Stimmungsplus also. Dafür dass es das letzte Spiel war beschallten die "Kibice" von Lechia verdammt ordentlich das Stadion! Man mag nur erahnen was da sonst für Lautstärken möglich sind, zu anderen Spielen. Auch die von Gornik machten Krach & waren ein paar Mal zu hören, wobei hier der Unterschied ist, das diese Fanszene eine der wenigen in Polen ist die versuchen melodisch lang zu singen & somit teilweise ein leichter Eindruck von "Ein Hauch vom Westen" entsteht. Die Fans der Ostseemetropole hingegen machten mit dem klassischen (wie man hier sagen würde: Polen-Style) Dampf. Fette laute Gassenhauer, nicht zu lang, richtig geil! Mein Schätzungsvermögen ist nicht das Beste, aber ich würde sagen dass ca. 300 - 400 Schlesier den ca. 520 km langen Weg auf sich nahmen um ihr Team zu supporten. Und das ist bei den Straßen nicht immer leicht, Landstraßen! Auf Danziger Seite war einiges an Leuten aus Krakau von Wisla & Breslau da, mit denen eine Freundschaft gepflegt wird. Auch die Leute aus Krakau sind mit denen aus Breslau befreundet. Das wird auch an einem Banner deutlich: "Trzej Krolowie Wielkich Miast", heißt: "Drei Könige großer/mächtiger Städte", dazu die drei Vereinswappen. Banner aufhängen ist da sowieso so ein Ding, anders als bei uns werden dort die ersten Fahnen erst kurz vor Spielbeginn & der Rest bis in die 20 Minute hinein aufgehangen, dafür dann aber auch gut beflaggt. Brisant ist auch dass der absolute Hassgegner Nr.1 der Danziger, Arka Gdynia aus (auf deutsch) Gdingen mit Cracovia Krakau befreundet ist. Zwei Vereine aus Krakau & Danzig bildet mit Sopot & Gdingen die "Dreistadt" quasi ineinander verschmolzen, absolute Derbys & Kampf an mehreren Fronten vorprogrammiert, was man auch in der ganzen Stadt sieht & merkt. So viel dazu. Vor dem Spiel wurde mit besprühten Transparenten in der ganzen Stadt mobil gemacht: "Alle in grün" hieß es darauf. Mit dem Spiel generell hab ich richtig Glück gehabt, außer was das sportliche auf dem Platz betrifft, 0:2 verloren leider. Danzig war nicht sehr viel schlechter als Zabrze, kassierte aber nach eben zwei Unachtsamkeiten zwei Tore. Im Gegenzug scheiterten die Hausherren an Pfosten & Latte. Aber so ist Fußball nun mal. Ansonsten war alles dabei, Stimmung, Pyro, Choreo & Handgreiflichkeiten. Die Ultras Lechia zeigten eine sehenswerte Choreo. zum fünfjährigen Gruppenbestehen mit den Zaunfahnen: "Ultras Epidemia" (Ultra Epidemie) & "Sektor Skazony Fanatyzmem" (Ein mit Fanatismus infizierter Block) & passendem Biowaffen Symbol. Untermalt wurde das Ganze mit einem Fahnenmeer, grünem Rauch, Breslauern & Blinkern. Auf der Gegenseite wurde eine kleine Blockfahne hochgezogen & darunter natürlich gezündet, Breslauer & Bengalos von denen dann aber auch was auf`s Feld geflogen ist inkl. Böller & Fahnen. Vor und nach den Choreos. gab es im Stadion nämlich keinen Fahneneinsatz, sondern ausschließlich Sangeskraft. Zum größten Teil männliche denn in Polen gehen nicht so viele Frauen zum Fußball wie in Deutschland. Um diese aber zu locken zahlen Frauen generell nur den halben Preis auf Eintrittskarten. Erstaunlich auch wie dort nach den Gegentoren weiter gesungen wird, alle machen mit genau wie vorher & genauso laut, daran könnte man sich hier mal ein Beispiel nehmen! Sogar die Choreo. wurde mindestens 15 Min.! lang gehalten, unvorstellbar in Deutschland. Andererseits habe ich noch nie so einen unemotionalen Torjubel erlebt wie nach dem 0:1 für die Gäste glaub ich, da gab es fast keinerlei Regung, beim zweiten Tor gab es wenigstens einen kurzen Aufschrei und ein bisschen Klatschen, das war`s dann aber auch. Keine Ekstase, kein Ausrasten & kein Durchdrehen. Zwei Mal versuchten Ordner ein paar Banner der Gäste abzuhängen, einmal direkt im Block & das zweite Mal ganz feige hinter dem Zaun auf der anderen Seite wodurch es zu Handgemengen kam. Zwei Mal wurden die Fahnen zur Sicherheit von den Fans dann abgehangen & kurze Zeit später wieder aufgehangen. Während der Attacken der Ordner gab es solidarische Gesänge der Heimkurve in Richtung Gästeblock was auf deutsch soviel bedeutet wie "Ihr Penner/Wichser lasst die Fans in Ruhe!". Nach dem Spiel standen Polizisten mit Pump-Gun`s & Gummigeschossen herum während andere schön laut Musik im Partybus hörten - aber für die Sicherheit muss ja nun auch gesorgt sein ;-) Vor dem Spiel wollte ich traditionsgemäß mal eine Wurst in einem anderen Stadion probieren, diese gab es aber leider nicht in klassischer Form sondern nur in einer Art Hot Dog & dann auch keine Bratwurst (gab es gar nicht im Stadion, gehört dort aber auch nicht zur Fußballkultur wie bei uns) sondern eine Krakauer, aber nicht wie wir sie kennen sondern eine richtige! Was erschreckend ist das man wirklich Popcorn kaufen konnte... Dafür aber hatte das alkoholreduzierte "Tyskie" Bier um die 3 %, andere Maßstäbe halt :-D Was in Deutschland sicherlich für Gesprächsstoff sorgen würde ist die ganze Politik die dort quasi immer mitspielt, in vielen polnischen Stadien hängen Fahnen mit einem durchgestrichenen Che Guevara & der Aufschrift "precz komuna" was soviel heißt wie "Weg mit dem Kommunismus" der vor gut 23 Jahren gestürzt wurde & die Menschen mit Stolz erfüllt. Initiator dessen war auch ein Danziger namens "Lech Walesa", ein damaliger Hafenarbeiter der den Streik anführte. Diese Anti-Kommunismus Fahnen werden nicht nur von Fans visualisiert & akzeptiert sondern hängen z.B. auch im offiziellen Vereinsmuseum aus. Manch ein "Weltverbesserer" würde nun meinen dass dort rechte Tendenzen vorherrschen, dem ist natürlich nicht so. Aber diese Denkweise mancher Mitbürger kennen wir ja bereits, ist man gegen links, muss man ja automatisch gleich rechts sein... Welch Sinnhaftigkeit! Aber ob die ganze politische Geschichte ins Stadion gehört ? ... Abschließend bleibt nur noch zu sagen dass sich die Tour auf jeden Fall gelohnt hat, für jeden Geschmack war etwas dabei. Bis zum nächsten Mal!

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